Der geborene Verkäufer!

Halten Sie sich für einen geborenen Verkäufer? Oder vielleicht für einen geborenen Fahrradfahrer?

Bei Naturvölkern, die keinerlei Handel betreiben, werden also keine Verkäufer geboren? Und einen Säugling, der Fahrrad fährt, habe ich auch noch nicht gesehen.
Sie ahnen schon, wohin das führt.

Bei solchen Diskussionen sage ich immer:

„Zeige mir einen geborenen Versicherungsmathematiker –
und ich zeige dir einen geborenen Verkäufer!“

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Trotzdem hält sich hartnäckig die Einstellung, man müsse zum Verkäufer geboren sein. Woher kommt diese These? Warum hält sich dieser offensichtlich falsche Glaubenssatz so lange?

Grundsätzlich verhält es sich dabei wohl wie mit allen Glaubenssätzen: Je offensichtlicher sie durch Fakten widerlegt werden, umso heftiger werden sie von den Anhängern verteidigt!

Meine Theorie ist außerdem, dass die These auch eine gute Ausrede ist! Man hört sie ja meist von denen, die keinen Vertrieb machen wollen oder sogar Angst davor haben. Dabei ist es wie mit fast allen Phobien: Wenn man sich ihnen stellt, verschwinden sie meistens!

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Doch überlegen Sie mal! Wir alle sind täglich mit Beziehungsmanagement beschäftigt, neudeutsch Netzwerken. Mal verkauft man dem Chef eine Idee, dem Partner seinen Urlaubswunsch, in die Berge zu reisen und nicht schon wieder ans Meer. Dem Kunden, dass der Kollege zuständig sei und sich selber, dass man am Freitagnachmittag sowieso niemanden erreicht und deshalb Anrufe sinnlos sind!

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Was macht denn überhaupt einen Verkäufer aus? Welches Bild haben Sie von einem Verkäufer vor Ihrem geistigen Auge? Denken Sie mal kurz darüber nach!

Sehen Sie einen Klinkenputzer vor sich, der mit seinem Musterkoffer von Tür zu Tür zieht! Dachten Sie an einen Call-Center-Agenten, der endlose Listen abtelefoniert, um Zeitung-Abos zu verkaufen? Oder fiel Ihnen ein eloquenter Investmentbanker im dunklen Anzug ein, der hochspekulative geschlossene Immobilienfonds verhökert?

Wenn Ihr Bild, das Sie von Verkäufern haben, negativ besetzt ist, dann gehört Verkaufen vermutlich nicht zu Ihren aktuellen Stärken.

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Denken Sie jetzt an einen Makler, der die Familie zum pünktlichen Einzug ins neue Heim beglückwünscht, einen Versicherungsagenten, der dem Kunden nach dem Schadensfall als finanziellen Ausgleich einen Scheck überreicht oder den IT-Consultant, der dem Kunden die neu gekaufte Abrechnungssoftware erklärt.

Sind das nicht auch Verkäufer? Ist an deren Beruf etwas auszusetzen?
Natürlich nicht!

Unsere Bilder lenken unser Denken!

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Andrew Neel by Unsplash

Deshalb an dieser Stelle eine ganz entschiedene Gegenthese: Niemand ist zu irgendetwas geboren! Jeder Beruf, jede Berufung, die ein Mensch ausübt, wurde erlernt. Natürlich gibt es für bestimmte Tätigkeiten körperliche Voraussetzungen, es gibt Begabungen und Talente. Doch auch Talent muss man erst zu Kompetenz entwickeln. Wodurch? Durch Übung!

Um irgendetwas wirklich gut zu beherrschen, sollte man etwa 10.000 Stunden geübt haben, sagt die Theorie. Wer also etwa dreieinhalb Jahre acht Stunden täglich einen Beruf ausübt, darf sich darin als Fachmann bezeichnen.

Wer hingegen eine Stunde täglich einem Hobby nachgeht, braucht zum Status des Experten schon über 27 Jahre.
Es stimmt schon, dass zum Können 1% Inspiration und 99% Transpiration gehören.